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Unser China-Export David war im August bei den "Yonex Open 2009 Chinese Taipei" als Schiedsrichter im Einsatz. Von diesem Erlebnis hat David ausführlich berichtet. Verwunderte und bisweilen sogar entsetzte Blicke erntete ich in meinem Shanghaier Bekanntenkreis als ich Taipei als mein diesjähriges „Sommerurlaubsziel“ nannte. Auch wenn Ilha Formosa ein verkanntes touristisches Juwel sein mag, so sind es doch die Strände Balis, Thailands und Vietnams wohin die Shanghaier Expats der sommerlichen Hitze, dem Smog und dem Baulärm entfliehen.

Aber erfahrungsgemäß ist eine Woche Schiedsrichtereinsatz weitaus wohltuender für das seelische Gleichgewicht als in Phuket zu liegen und tatenlos zuzusehen, wie die südostasiatische Sonne einem die zarte Haut verbrennt. Und für die einmalige Chance, bei den diesjährigen Taipei Open vom 25.-30. August als Schiedsrichter dabei sein zu dürfen nahm ich liebend gerne eine Woche Urlaub in Kauf.

Ein kurzer, dreitägiger Zwischenstopp in Hongkong zur Entspannung in den New Territories sollte zum Auftanken reichen, bevor ich am Montagmorgen Richtung Taiwan weiterflog. Mehr als früh genug um erst kurz mein Zimmer im Sheraton zu beziehen und noch eine Runde durch die Stadt zu ziehen bis zum eröffnenden Briefing der Technical Officials um 18:00 Uhr.

Denn ab Dienstag um 10:00 Uhr war nicht mehr viel Zeit für touristische Aktivitäten. Bis Samstag täglich Einsätze von morgens um 10 bzw. 12 Uhr bis zumindest 20 Uhr abends ließen keinen Raum für große Sprünge. Taipei 101 schafften wir am Donnerstagabend gerade noch eine Minute bevor die Ticketschalter schlossen – Pflichtprogramm damit erfüllt!

Neben den lokalen und einigen Gästen aus asiatischen Nachbarländern war ich der einzige westliche Schiedsrichter im Einsatz in Taipei. Auch die beiden Referees kamen aus Japan und China.

Ein demografisches Verhältnis, das sich im Teilnehmerfeld ähnlich wiederspiegelte. Außer einer Handvoll junger Dänen und Franzosen hatte sich so knapp nach der WM kein Europäer auf die Insel verirrt. Und für diese war spätestens im Viertelfinale Endstation.

Das Turnier war somit dominiert von asiatischen Spielern und obwohl die chinesische Armada und einige andere Topspieler sich noch von den WM-Strapazen ausruhten war das Niveau extrem hoch.

Malaysia, Korea und Indonesien waren ziemlich stark vertreten - dass die Taiwanesen in dieser illustren Gesellschaft auf der Euphoriewelle des Heimvorteils die Siege im Dameneinzel und Herrendoppel einstrichen war geradezu sensationell. Die Spiele der Gastgeber sorgten so bereits ab der ersten Runde für ausgelassene Stimmung und packende Atmosphäre im Xinzhuang-Gymnasium.

23 Einsätze durfte ich am Ende des Turniers verbuchen, darunter das Semifinalspiel zwischen Hafiz Hashim und dem späteren Turniersieger Nguyen sowie ein Herrendoppelhalbfinale. Zum ersten Mal seit langem stand ich wieder vor der Herausforderung bei einem großen internationalen Turnier Scoresheets von Hand auszufüllen. Plötzlich hieß es wieder Multitasking statt blindes „Links-rechts-tippen“.

Beunruhigend, wie schnell man verwöhnt wird von den heutzutage bei Circuit-Turnieren üblichen Touchscreens. Aber nach dem ersten Spiel und einem Scoresheet, das aussah, als hätte sich jemand an einer Zauberformel für Kernfusion versucht, war ich erstaunlich schnell wieder flüssig.

Ansonsten liefen meine Spiele ohne große Zwischenfälle ab. Ausgezeichnete Linienrichter - rekrutiert aus lokalen Schiedsrichtern - reduzierten Diskussionen auf ein Minimum und die Zusammenarbeit mit den anderen internationalen Schiedsrichtern war gewohnt professionell.

Off-court war ebenso für ein tolles Umfeld gesorgt; die Veranstalter und vor allem die lokalen Schiedsrichter setzten alles daran, den Gästen den Aufenthalt so unterhaltsam wie möglich zu machen.

Bankette und Abendessen sowie Sightseeing wo immer es der dichte Einsatzplan erlaubte machten die Taipei Open zu einem unvergesslichen Erlebnis. Zum Abschluss am Sonntagabend wurde noch einmal ein üppiges Bankett für alle Mitarbeiter, Technical Officials und Ehrengäste (u.a. war BWF-Präsident Kang angereist) aufgetragen, bevor sich die Beteiligten im Laufe des Montags wieder in alle Winde zerstreuten. Für mich ging es über den kurzen Umweg Hongkong wieder zurück nach Shanghai – zurück in den Alltag.

David von Schwerin, September 2009
David im Einsatz: